Und wenn gar nichts hilft?

Wenn Therapie, Tagesklinik, Medikamente und sonstige Maßnahmen nicht dazu führen, dass Ihr Kind regelmäßig und stabil zu Schule geht - dann gibt es noch eine ganz andere Möglichkeit.

Vielleicht liegt es ja nicht an Ihrem Kind, dass es nicht in die Schule gehen kann, sondern am Schulsystem. Inzwischen gibt es immer mehr Schulverweigerer und die Kinder werden auch immer jünger. Inzwischen gibt es dieses Phänomen bereits in der Grundschule, da sagen Schüler: Mama, wenn ich da hingehen muss, dann hau ich ab. Da sperren sich die Kinder ins Klo ein, oder verstecken sich im Keller, nur um dem Schulsystem zu entfliehen. Das sollte uns zu denken geben - Schule heute ist aus meiner Sicht wesentlich aggressiver, restriktiver und phantasieloser als in meiner Schulzeit.

Nun falls Sie sich dafür entscheiden, dass es am Schulsystem liegt und nicht bereit sind, weiter ihr Kind zu "therapieren", damit es in dieses System passt, dann gilt es eine andere Möglichkeit für Ihr Kind zu finden. Dieser Weg kann sehr spannend und bereichernd sein, wenn man sich darauf einlassen kann. Er erfordert aber auch eine Menge Mut, und die Bereitschaft den sogenannten "Mainstream" zu verlassen.

Sie können nun verschiedene Schulen ausprobieren. Vermutlich wird es Ihrem Kind umso besser gehen, je zugewandter die Atomsphäre und je selbst bestimmter es lernen kann. Eventuell führt Ihr Kind Sie in die Welt der demokratischen Schulen (z.B. Sudbury-Schulen) oder in die Freilerner-Community - beides Bereiche, von denen man im "normalen" Schulbetrieb nichts hört.

Wir sind bei den demokratischen Schulen gelandet. In diesen Schulen lernen Kinder, wie sie wollen, wann sie wollen und vor allem was sie wollen - oder sie lernen auch erstmal nichts im akademischen Sinne. Dafür entwickeln sich ganz neue Perspektiven, die Kinder kommen zur Ruhe, fühlen sich endlich anerkannt und fangen an nach und nach wieder Selbstbewusstsein zu entwickeln. Und nach einiger Zeit lässt die akademische Verstopfung nach (die ständige Beschäftigung mit Themen, die die Kinder nicht wirklich interessiert, lässt die natürliche Neugier komplett austrocknen), die Kinder fangen tatsächlich wieder an Fragen zustellen und sich von selbst für Themen zu interessieren.

Es erfordert eine ganze Menge Mut sich auf diesen Weg einzulassen. Umgekehrt, solange sie klein sind, bringen wir ihnen auch das Vertrauen entgegen, dass sie von selbst Krabbeln, Essen oder Sprechen lernen. Kein Vater oder Mutter würde sich neben seinen Säugling legen und ihm erklären, wie er sich auf den Bauch drehen kann oder Krabbeln lernt. Sobald es um akademische Inhalte, wie Lesen, Schreiben, Mathematik oder ähnliches handelt, gehen wir plötzlich davon aus, dass wir es den Kindern erklären müssen, dass es nur so geht, wie der Lehrer vormacht und ähnliche Glaubenssätze der Regelschule.

Interessanterweise können alle Schüler von demokratischen Schulen im Alter von 11 Jahren lesen (etwas später als an der Regelschule, dafür freiwillig und teilweise wirklich nebenbei gelernt). Die Älteren überlegen sich von selbst, womit sie ihr Leben verbringen wollen, welchen Beruf sie ergreifen und bereiten sich auf die notwendigen Schulabschlüsse selbständig vor. In Langzeitstudien zeigt sich, dass Absolventen der demokratischen Schulen zu einem hohen Prozentsatz studieren oder sich selbständig machen.

Wenn Sie sich auf diesen Weg einlassen, erfahren Sie plötzlich einen Zuwachs an Freiheit, den Sie vorher nicht erwartet hätten. Der Konfliktstoff in der Familie nimmt dramatisch ab, es sind keine Hausaufgaben zu machen, keine Vokabeln zu lernen keine Tests vorzubereiten - solange die Kinder nicht wollen. Darüber hinaus erleben Sie auch völlig neue Perspektiven auf Ihre Kinder, auf Ihr eigenes Leben und auf die dahinterliegenden Annahmen. Auch das verschafft neue Horizonte und einen unerwarteten Zuwachs an Freiheit.

Falls in Ihrer Umgebung keine demokratische Schule zu finden ist und auch kein Umzug möglich ist, gibt es noch den Weg in die Freilerner-Gemeinschaft. Diese Kinder lernen zuhause ebenfalls selbst bestimmt. Leider wird dieser Weg in Deutschland nach wie vor als Verletzung der Schulpflicht (= gesetzlich festgeschriebene Anwesenheit in einem Schulhaus) angesehen. Daher müssen Sie sich in diesem Fall auf Auseinandersetzungen mit den Behörden gefasst machen. Doch auch diesen Weg müssen Sie nicht alleine gehen - es gibt Coaching und Rechtsberatung von erfahrenen Rechtsanwälten z.B. über die Freilerner-Solidargemeinschaft.

Es gibt bekannte Beispiele wie Moritz Neubronner, der als Freilerner sogar die allgemeine Hochschulreife abgeschlossen hat.

Letztlich hat uns unserer Schulverweigerer auf einen sehr bereichernden Weg geschickt, wir sind den Weg nicht gerne gegangen und an manchen Tagen hadern wir heute noch - aber in der Summe hat es uns sehr bereichert und ich möchte Sie ermutigen diesen Schritt zu wagen. Sie können auch gerne persönlich über ratgeber@elternhilfe.info mit uns Kontakt aufnehmen.